Donnerstag, 20. September 2012

Tag 36 am 20.09.2012 von St. Gengoux-le-National nach Cluny

Ich bin zeitig aufgewacht und habe in aller Ruhe meinen Rucksack gepackt. Um kurz vor 08:00 h verließ ich meine Unterkunft und wollte zur Anschrift der Familie Lacroix gehen, um dort zu Frühstücken.

Irgendwie hatte ich gestern Mme Lacroix falsch verstanden. Direkt vor der Haustüre traf ich auf sie. Sie hatte einen Korb mit Kaffee, Croissants, Schokocroissants und die üblichen süßen Frühstückszutaten dabei. Gemeinsam gingen wir zurück in de Unterkunft und schnell hatte sie in der Gemeinschaftsküche den Tisch gedeckt. Ich bezahlte meine Unterkunft (35 €) und ließ es mir schmecken.

Gegen 08:25 h startete ich bei blauem Himmel in einen sonnigen Tag.

Ich hatte mir anhand des Stadtplans die zu begehenden Straßen notiert und fand so problemlos den Zugang zum „Voie verte“, einer alten Bahntrasse, die zwischenzeitlich zum Radweg umgebaut wurde.


Der Sonnenschein am frühen Morgen trügte allerdings.
Recht optimistisch bin ich in kurzen Hosen und kurzärmeligen Hemd losgelaufen.
Ich musste feststellen, dass mein Atem in der Luft kondensierte. Obwohl ich schnell voran ging, fror ich im Bereich des Oberkörpers. Der Fleecepulli musste her. Erst beim Öffnen des Rucksacks bemerkte ich, dass meine Finger vor Kälte ziemlich steif geworden waren.

Ziemlich unspektakulär führte der „Voie verte“ vornehmlich immer geradeaus durch ein Tal. Der Blick nach links oder rechts wurde durch Bäume und Büsche entlang der alten Bahnstrecke erheblich eingeschränkt.


Dafür gab es hier wieder nennenswerte fließende Gewässer, welche ich zuletzt mit dem Flüsschen „Ouche“ in Dijon gesehen hatte. Erst im nachhinein wurde mir hierdurch klar, dass die Bourgogne mit ihren unendlichen Weinanbauflächen ein ziemlich wasserarmes Gebiet ist.



Auf jeden Fall kam ich sehr schnell voran. Gegen 10:00 h wurde es deutlich wärmer, so dass der Fleecepulli wieder in den Rucksack gepackt werden konnte.

Nachdem der ehemalige Bahnhof von Cormatin passiert war, gelangte ich an einen alten Steinbruch.
Aus großen Felsblöcken und einer dicken Felsplatte des rötlichen Gesteins war hier ein archaisch anmutender Rastplatz angelegt worden, den ich zu einer kurzen Pause nutzte.



In der Mittagszeit erreichte ich dann Taizé, auf den ersten Blick ein kleiner Ort mit sehr schönen Steinhäusern an einem Berghang gelegen. Aber wo sollten sich hier tausende Jugendliche und jungen Menschen aufhalten, die sich hier Jahr für Jahr ständig zum Austausch religiöser Gedanken treffen?




Ich durchquerte das Dorf und am anderen Ortsausgang, oben auf dem Hügel, erreichte ich das beeindruckende Areal der „Communaute Taizé“. Auf den ersten Blick erinnerte mich das Ganze irgendwie an die Zeltlager meiner Jugendzeit. Es gab sehr große Zeltplätze mit Mehrpersonenzelten, riesige Essenszelte, aber auch zahlreiche verschiedene Holzbauten als Unterkünfte oder Funktionsgebäude. Im Zentrum des Ganzen lag die von außen schlicht wirkende, hölzerne „Vereinigungskirche“.



Ich begab mich ins Empfangsgebäude, um dort nach einen Stempel der „Communaute Taizé“ zu fragen. Den erhielt ich dort nicht. Dafür nahm mich direkt eine sehr süße, perfekt Deutsch sprechende Französin in Beschlag. Sie bot mir einen Tee zur Erfrischung an. Sie wollte auch wissen, wie lange ich bleibe. Nachdem ich ihr gesagt hatte, ich sei nur auf der Durchreise, bat sie mich, doch wenigstens zu einer Bibeleinführung am Nachmittag und zur Abendmesse zu bleiben. Dankend lehnte ich ab. Während ich meinen Tee schlürfte, erklärte sie mir die Geschichte und die Entstehung der „Communaute“. Sie sagte, in Spitzenzeiten befänden sich bis zu 6000 junge Menschen vor Ort, um gemeinsam über Glaubensfragen zu diskutieren. Nach dem Tee verabschiedete ich mich von meiner hübschen und christlich sanftmütigen Gesprächspartnerin, um meinen Weg fortzusetzen.

Ich warf noch einen Blick in die „Vereinigungskirche“, die von deutschen und französischen jungen Menschen gemeinsam errichtet wurde. Das von außen sehr schlichte Holzgebäude verströmt in seinem Inneren eine sagenhaft beruhigende Aura.


Obwohl sich zahlreiche Menschen in der Kirche befanden, war kaum ein Geräusch zu vernehmen. Selbst die einfache Dekoration des Altarbereichs, mit seinen orangefarbenen Dreieckstüchern und den einfachen Hohlblocksteinen, mit brennenden Kerzen, wirkte tief beeindruckend auf mich.

Im Anschluss besuchte ich noch einen Ausstellungs- und Verkaufsraum, in dem die „Frères“, die Brüder von Taizé, ihre selbst produzierten Gegenstände, vornehmlich Gemälde, Töpferwaren und anderes Kunsthandwerk, veräußerten. Nach den strengen Grundsätzen der „Communaute“ leben die „Frères“ ausschließlich vom Ertrag ihrer eigenen Arbeit. Hier in der Ausstellung erhielt ich auch den wenig schmuckvollen Stempel der „Communaute Taizé“ in meinen Pilgerpass.

Nach einer guten Stunde Aufenthalt verließ ich Taizé und setzte meinen Weg auf dem „Voie verte“ in Richtung Cluny fort. Der Weg schlängelte sich nach wie vor unspektakulär durch das lange Tal.
Es gab wirklich nicht viel Abwechslung, dafür kam ich, wie beabsichtigt, schnell voran.


An einer Stelle sah ich schon aus der Entfernung vier oder fünf winzig kleine Kätzchen auf dem Radweg herumtollen. Als ich mich näherte, verschwanden sie blitzschnell im Gestrüpp und ließen sich auch nicht mehr hervorlocken. Gerne hätte ich eines dieser putzigen Tierchen mit nach Hause genommen. Da, soweit das Auge reichte, weit und breit kein Haus zu sehen war, ging ich davon aus, dass sich ein „lieber“ Zeitgenosse seines jüngsten Katzenwurfes entledigt hat.

Ein Stückchen weiter überholte mich eine Frauengruppe, die auf ihren Rennrädern ziemlich zügig unterwegs war. Die dritt- oder viertletzte Fahrerin bremste unvermittelt, was beinahe den Sturz der Gruppenletzten zur Folge hatte. Sie wollte wissen, woher ich komme.
Ich antwortete „Allemagne, Solingen, à Cologne“, dass ich in mehreren Etappen gelaufen war, konnte ich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse leider nicht so schnell vermitteln.
Es folgte ein schriller Ausruf der Frau, die ganze Radgruppe stoppte. Sie rief ihren Freundinnen irgendetwas in französischer Sprache zu. Ich verstand nur „quel courage“, also „welcher Mut“. Die gesamte Damenmannschaft applaudierte mir. Wie peinlich!!!

Kurz darauf erreichte ich den alten Bahnhof von Massily. Dort legte ich eine ausgiebige Pause ein, aß ein paar Nüsse und trank einen ordentlichen Schluck Wasser.
Für ein Foto mit dem Selbstauslöser der Kamera brauchte ich bestimmt vier Anläufe. Obwohl ich fast den ganzen Tag alleine auf dem Radweg unterwegs war, schienen hier alle Radfahrer der Umgebung auf und ab zu fahren. Unglaublich, wie schnell man mit einem Rennrad unterwegs sein kann. Immer wieder fuhren mir während der 10sekündigen Auslösezeit der Kamera irgendwelche Radler ins Bild.


Weiter ging es auf dem nicht gerade unterhaltsamen Weg.Ich entwickelte einen Blick für die Kleinigkeiten am Wegesrand. Das heißt, so klein war die Raupe gar nicht, die da über den Asphalt des Radweges kroch. Ich fragte mich, welch ein gigantischer Schmetterling sich aus so einer großen Raupe entwickeln muss.


Trotzdem verging die Zeit auf dem öden Radweg wie im Flug. Plötzlich konnte ich die Reste einer gewaltigen Kirche durch das Buschwerk zu meiner Rechten ausmachen. Ein nochmaliger Blick in die Wegbeschreibung, kein Zweifel, es war Cluny, das Ziel, das ich mir für dieses Jahr gesetzt hatte.


Schon 20 Minuten später, gegen 14:15 h erreichte ich in den Ort.


Eigentlich wollte ich mir ja noch einmal am letzten Abend ein gemütliches Bett gönnen. Aber die wirklich günstigen Unterkünfte, wie zum Beispiel das „Hotel du Commerce“ (ÜF 25,80 €) oder das „Cluny séjour“ (ÜF 17,50 €) waren bis 17:00 h geschlossen.
In Anbetracht der vielen ausländischen Fahrzeuge (insbesondere aus den NL) auf den Parkplätzen der Stadt, wollte ich kein Risiko eingehen. Ich wollte mir nicht erst um 17:00 h sagen lassen „alles reserviert“ und entschloss mich kurzerhand für eine weitere Zeltübernachtung.

Der Zeltplatz lag, wie gewohnt, etwas außerhalb der Stadt, war aber schnell erreicht.
Schnell, sehr schnell war mein Zelt auf dem schönen Campingplatz aufgebaut.
Nach einer ebenso schnellen Dusche, wechselte ich meine Kleidung. In einem nahe gelegenen Supermarkt besorgte ich mir eine gute Flasche Wein für meinen letzten Abend und warf diese ins Zelt.


Danach ging ich die Stadt erkunden. Cluny ist eine durchaus schöne Stadt, wenngleich sie nicht den Mittelaltercharme von St. Gengoux ausstrahlt.

Ich erinnerte mich. Meine Frau Jutta hatte mir oft erklärt, dass Cluny eine der Hochburgen der Klöppelkunst sei. Leider schien davon nicht mehr viel übrig zu sein.
Obwohl ich mit aufmerksamem Blick durch die Straßen zog, konnte ich lediglich an einer einzigen Stelle einen kleinen Laden entdecken, der Klöppelarbeiten verkaufte.
Ein junger Mann saß vor dem Geschäft an seiner Klöppelrolle und klöppelte Bänderspitze.


Ansonsten schien der fotogenste Platz von Cluny das Seitenschiff und das Umfeld der ehemaligen Kathedrale zu sein, die in der Vergangenheit, nach dem Petersdom in Rom, die größte Kathedrale der westlichen Welt war.


Vor Ort selbst ließ sich nur aufgrund der Größe des angegliederten Klosterkomplexes, der Säulenfundamente des ehemaligen Hauptschiffes und der Entfernung zu den Palästen der Bischöfe und Äbte ermessen, wie groß und prächtig diese Kirchenanlage im 12. Jahrhundert gewesen sein muss.Während der französischen Revolution wurde der ansässige Orden aufgelöst und die Gebäude kurzerhand veräußert. Die einstmals riesige Kathedrale wurde abgerissen und als Steinbruch missbraucht.

In dem alten Kloster , der „Abbaye de Cluny“, holte ich mir einen weiteren Stempel für meinen Pilgerausweis.

Kurz vor der Abenddämmerung bestieg ich dann noch den sogenannten „Käseturm“.
Von dort oben bot sich ein schöner Blick über die engen Gassen der alten Stadt Cluny.



Im Straßenbild stachen mir eine Vielzahl junger Menschen, alle so um die 20 Jahre alt, ins Auge, die durchweg mit den gleichen Baseball-Caps und seltsamen, zum Teil kunstvoll gestalteten Kitteln bekleidet waren. Über die Bedeutung dieser Verkleidung konnte ich mir absolut kein Bild machen. Ich vermutete, dass es der Gag eines Abschlussjahrgangs eines Gymnasiums wäre.


Schnell wurde es wieder dunkel und auch sehr kalt.

Wenn ich schon kein gemütliches Bett für die Nacht haben sollte, wollte ich mir am letzten Abend wenigstens ein leckeres Essen gönnen. Ich suchte und fand ein kleines Restaurant, in dem ich eine riesige Pizza aus dem Holzofen für kleines Geld bekam. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich diese Pizza nicht geschafft habe.

Noch einmal unternahm ich einen kurzen Rundgang durch die Stadt und musste feststellen, dass sie bei Dunkelheit dann doch ihre sehr schönen Seiten hat.



Nach dem Abendrundgang ging ich fröstelnd zurück zum Zeltplatz, denn ich war immer noch in meinen Shorts unterwegs. Zügig ging ich zurück zum Campingplatz, dass hielt wenigstens ein wenig warm. Zum Glück hatte ich wenigstens meine Fleecepulli an, sodass wenigstens der Oberkörper warm blieb.

Schnell kroch ich mein Zelt. Ich packte noch meinen Seidenschlafsack in den richtigen Schlafsack. Den hatte ich mir zum Glück eine Woche vor der Wanderung zugelegt. Zum Einen würde ich ihn eh früher oder später brauchen, zum Anderen sollte so ein Seidenschlafsack die Wärmeleistung des richtigen Schlafsackes um 3 – 4o Celsius nach oben pushen. Schon jetzt war zu merken, dass ich dies in dieser Nacht gebrauchen könnte.
In voller Montur, natürlich ohne Schuhe, kroch ich in meine beiden Schlafsäcke. Im ersten Moment entzogen sie mir wieder Wärme. Ich überlegte kurz, ob ich meine 1,5 Liter Aluflasche mit heißem Wasser aus der Dusche auffüllen sollte, um sie als Wärmflasche zu nutzen. Von dieser Idee nahm ich Abstand, da sich die Sanitäranlagen in einiger Entfernung auf dem Zeltplatz befanden.
Ich entschloss mich , lieber mit den Beinen schnelle Trippelbewegungen zu machen, um so ein wenig Wärme zu erzeugen. Es klappte. Schnell wurde es im Schlafsack ein wenig wärmer.

Da mein einschichtiges Zelt an allen vier Seiten mit großzügigen Lüftungsöffnungen versehen ist, erwartete ich, dass es auch am Kopf sehr kalt werden würde.
Aus meinem „Buff – Tuch“ wickelte ich mir eine Art Mütze, setzte sie auf und zog sie mir so gut es ging über die Ohren.

Chick ist wirklich anders, wie ich später auf dem Selbstportrait erkennen musste ;o).


So ließ es sich wenigstens gut aushalten. Auf das Erreichen meines diesjährigen Zieles öffnete ich mir die gute Flasche Wein, die ich bereits am Nachmittag ins Zelt geworfen hatte.
Sie war inzwischen ebenfalls sehr durchgekühlt, schmeckte deshalb nach nichts und tat an den Zähnen weh. Mit viel Kraft drückte ich den Korken wieder in den Flaschenhals, um sie zu verschließen.

Ein wenig frustig darüber, dass ich am letzten Abend mein Ziel „Cluny“ nicht mit einem guten Glas Wein feiern konnte, beobachtete ich meine Mini – Dynamotaschenlampe, wie sie langsam an Leuchtkraft verlor.

Gleichzeitig war ich froh darüber und auch ein wenig Stolz darauf, dass selbst gesetzte Ziel erreicht zu haben.

Mit diesem Gedanken fiel ich in den Schlaf.








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